Dienstag, 24. März 2015

DIE LINKE vor Ort verankern

Die Hamburger LINKE befindet sich nach dem erfolgreichen Bürgerschaftswahlkampf in einer guten Lage, um sich wieder auf ihre wichtigste Aufgabe zu besinnen: den Widerstand gegen die Politik der neoliberalen Parteien. Dafür muss es uns aber gelingen, sie in den Stadtteilen in eine aktive Mitgliederpartei zu verwandeln.

1. Eine erfolgreiche Wahl für die Hamburger LINKE

Nach einem engagierten und sehr politischen Wahlkampf haben wir mit 8,5 Prozent der Stimmen ein sehr gutes Ergebnis erzielt. Die Entscheidung, einen unmissverständlichen Oppositionswahlkampf zu führen, war – angesichts der wirtschaftsfreundlichen Scholz-SPD – taktisch richtig und wurde von den Wählerinnen und Wählern honoriert. Besonders erfreulich ist, dass wir unter jungen Wählerinnen und Wählern so erfolgreich waren. 

Einen Wermutstropfen stellt der Bürgerschaftseinzug der AfD dar. Aber zumindest hat sie scharfen Widerstand zu spüren bekommen – allein schon durch die wiederholte Zerstörung ihrer rassistischen Plakate. Doch die rechte Gefahr ist keineswegs gebannt und stellt DIE LINKE vor eine große Herausforderung. 

Der Konflikt um den Vorsitz der neuen Linksfraktion macht deutlich, dass jahrelang bestehende Konflikte nicht von selbst verschwinden, sondern irgendwann geräuschvoll durch die Oberfläche brechen. Wichtig ist jetzt ein sachlicher Umgang mit dem offenbar gewordenen Konflikt. Eine nachhaltige Lösung kann nur darin bestehen, auf allen Ebenen die politische Debatte zu organisieren, um inhaltliche und strategische Differenzen produktiv zu nutzen. Beispielsweise muss eine Diskussion über die Schlussfolgerungen aus dem Oppositionswahlkampf geführt werden.

2. Der Umgang mit möglichen Regierungsbeteiligungen

»Als LINKE haben wir ein anderes Verhältnis zum Parlamentarismus als die anderen Parteien. Wir wissen, dass sich grundlegende politische Veränderungen nur durch eine Veränderung der gesellschaftlichen Kräfte und Ideen, mit Hilfe von Bewegungen gegen die Profitinteressen der Konzerne durchsetzen lassen. Aus diesem Grund erklärt der Hamburger Landesverband der LINKEN, dass wir nach den Bürgerschaftswahlen 2015 nicht für eine Koalition oder Tolerierung mit den anderen Hamburger Parteien zur Verfügung stehen, denn mit ihnen sind grundlegende Veränderungen – auch in entscheidenden kleinen Schritten – nicht möglich.« (Beschluss »Veränderungen beginnen mit Opposition« vom Landesparteitag im Juni 2014)

Regierungsbeteiligungen von linken Parteien sind grundsätzlich problematisch, solange die eigentliche Macht nicht herausgefordert wird, nämlich die der Banken und Großkonzerne. Für einen echten Wandel müssen Politik und Ökonomie zusammengebracht werden und von Grund auf demokratisiert werden. 

Jede progressive Regierung, die nicht die Konfrontation mit kapitalistischer Macht sucht, läuft über kurz oder lang Gefahr, an vermeintlichen Zwängen und Notwendigkeiten zu zerbrechen – oder zumindest den außerparlamentarischen Bündnispartnern in den Rücken zu fallen. Mindestens soziale Bewegungen und Kämpfe müssen einen Aufschwung erleben, damit die gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse eine progressive Regierungspolitik ermöglichen. In Griechenland erleben wir gegenwärtig, wie massiv eine linke Regierung von Seiten des Kapitals (und den entsprechenden internationalen Organisationen) unter Druck gesetzt wird, wenn sie sich nicht an deren Regeln halten will. 

Sich deswegen aber grundsätzlich der Diskussion über Regierungsbeteiligung zu verweigern, kann DIE LINKE in die Isolation führen. Im Scholz‘schen Hamburg oder bei einem Kanzlerkandidaten Steinbrück besteht diese Gefahr nicht. Aber in Situationen, in denen die SPD sich verbal nach links bewegt und beispielsweise die soziale Frage ins Zentrum ihres Wahlkampfs stellt, kann eine besondere gesellschaftliche Dynamik entstehen. In Hessen haben unsere Genossinnen und Genossen erlebt, welch großen Druck soziale Bewegungen, Gewerkschaften und andere Bündnispartner aufbauen können, damit wir uns an einem rot-rot-grünen Projekt beteiligen, um die verhasste CDU-Regierung loszuwerden. Zu den Hoffnungen, die in einer solchen Situation entstehen, müssen wir uns in einer produktiven Art und Weise verhalten. Die Formulierung von »roten Haltelinien« kann beispielsweise dabei helfen, die Diskussion über einen Regierungseintritt von einer strategischen auf eine inhaltliche Ebene zu heben. 

Denn letztlich müssen wir zumindest gut erklären können, warum eine linke Regierung nicht zustande kommt (und inhaltlich an der SPD scheitert) – unter Umständen  geht das nur nach intensiven Koalitionsgesprächen.

3. Opposition wirkt!

Entscheidend, um die politischen Kräfteverhältnisse in Hamburg nachhaltig nach links zu verschieben, ist die Selbstaktivität der Menschen, die hier leben. Aber nicht nur das: Selbstaktivität ist der Schlüssel, um langfristig eine breite Bewegung aufzubauen. Nichts politisiert mehr als die eigene Aktivität. Darüber hinaus wächst das Selbstbewusstsein der Beteiligten. 

Hamburg ist positiv geprägt von einer langen Tradition großer sozialer Bewegungen:  Lampedusa in Hamburg, Recht auf Stadt, die Friedensbewegung, eine tief verankerte antifaschistische Haltung, dezidiert linke Stadtteile und viel Sympathie für Streiks wie bei Neupack zeigen das Potenzial einer linken Stadt. Wichtige Bewegungen kommen auf uns zu: NOlympia und ein möglicher Kita-Streik sind zwei Beispiele. 

Auch der Kampf gegen den Rassismus von AfD, Pegida und Co. wird wichtig bleiben. In der Hamburger LINKEN herrscht ein klarer Konsens, dass Bewegungen das Herzstück progressiver Veränderung sind. 

Opposition wirkt, war einer unserer Slogans im Wahlkampf – und das zu Recht: Die Behauptung, dass nur Regierungen etwas bewirken würden, ist absurd (zum Beispiel gäbe es den Mindestlohn ohne DIE LINKE nicht). Aber wir sollten nicht aus den Augen verlieren, warum Opposition wirkt! Ohne den Druck der Straße ließe sich keine Regierung der Welt von einer noch so hartnäckigen parlamentarischen Opposition zu progressiven Maßnahmen treiben.

4. Vom Bewegungs- zum Parteiaufbau

Die Hamburger LINKE ist von einem unübersehbaren Kontrast gekennzeichnet: Auf der einen Seite sehen viele soziale Bewegungen die Partei als einen wichtigen Verbündeten an. Auf der anderen Seite können wir davon kaum im Sinne einer Ausweitung unserer Strukturen profitieren. 

Die Unterstützung der Bewegungen erfolgt hauptsächlich über unsere Fraktionen, etwa durch die Teilnahme von Abgeordneten an Veranstaltungen und Aktionen oder auch durch deren Öffentlichkeitsarbeit. Das ist zwar ein sehr wichtiger Beitrag, doch wir sollten auch die Praxis unserer Basisgruppen noch mehr darauf ausrichten, vor Ort zu einer antikapitalistischen Kraft zu werden, die sich in Bewegungen einbringt und einmischt. Das kann durch die Mitarbeit in einer Mieterinitiative geschehen, durch die Gründung eines lokalen NOlympia-Komitees oder durch Solidaritätsaktionen mit Griechenlands Kampf gegen die EU-Kürzungspolitik. Eine Arbeitsteilung zwischen Bewegungen, die gesellschaftlichen Druck entfalten, und der linken Partei, die das Ganze als politischer Dienstleister begleitet, ist hingegen wenig sinnvoll. 

Wir sollten durchaus Verantwortung in diesen Auseinandersetzungen übernehmen und sie dadurch auch politisch prägen. Wenn wir die Orientierung auf Bewegungen verknüpfen mit einer Verankerung vor Ort, die durch Präsenz im Stadtteil und durch ein Mitmach-Angebot an politischen Debatten entsteht, erhöht sich die Chance, unsere Wählerinnen und Wähler für eine Mitgliedschaft in der LINKEN zu gewinnen. Unser Ziel muss es sein, eine aktive Mitgliederpartei zu werden.

5. Eine Kultur der Solidarität schaffen

Der nötige Rückhalt für einen solchen Ansatz war bei der Bürgerschaftswahl zu erkennen: Vor allem unter jungen Wählerinnen und Wählern haben wir gut abgeschnitten (12 Prozent der 16-24-Jährigen haben für uns gestimmt). Ihnen sollten wir ein Aktivitätsangebot machen. 

Voraussetzung dafür ist jedoch eine solidarische Gruppenkultur: Wir müssen neue Genossinnen und Sympathisanten willkommen heißen und offen für neue Ideen sein. Jede und jeder sollte seine Stärken und Fähigkeiten in eine lebhafte Gruppenkultur einbringen können. Unsere Partei ist ein gemeinsames Projekt unterschiedlicher Strömungen der gesellschaftlichen Linken in Deutschland. 

So wie Menschen in Bewegung gemeinsam stark sind, so sind wir auch als Partei gemeinsam stark. Gemeinsamkeit geht nicht durch dogmatische Abgrenzung – genauso wenig geht sie durch das (opportunistische) Verstecken unterschiedlicher Ansichten und Strategien. Aber im Respekt für den anderen können wir gemeinsam zur Entschlossenheit gelangen. Und dann bringt DIE LINKE die Hamburger Verhältnisse zum Tanzen.

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